Popis

Flüchtig und doch für immer in Erinnerung Als ich diesen Ort betrat, war mir, als hätte mich der Hauch von gerade gepflückten Minzblättern gestreift. Ich blieb stehen und sah mich um. Ich erkannte nichts, was den Duft erklären konnte. Seltsam flüchtig. Doch, da war es wieder, das Erfrischende einer Minze, nun gepaart mit einer Spur von etwas Holzigerem, der Weißtanne. Ein frischer Windstoß und weg war der vitale Duft. Ich ging weiter, ganz in Gedanken, die Nase aufmerksam den Luftzügen folgend. Es war, als wäre ein Lavendelfeld an mir vorbeigezogen. Doch ich sah keine der wunderbar violett blühenden Pflanzen. Verwirrt setzte ich mich auf die nächste Bank. Da ich offenbar der Zusammenarbeit zwischen meiner Nase und den Augen nicht mehr trauen konnte, beschloss ich, mich zum ersten Mal in meinem Leben allein auf die Nase zu verlassen. Also saß ich weiter auf der Bank, die Augen nun fest geschlossen, bereit für den nächsten Ausflug in das flüchtige Reich der Gerüche. Und da war er, der starke Duft des Rosmarins mit seinen kräftigen grünen Nadeln. Da fiel es mir ein – es war viele Jahre her und ich ein kleines Kind. Damals verbrachte ich meine Ferien bei der Großmutter in dem kleinen Häuschen mit seinem großen Obstgarten. Ich liebte den Duft von frischen Äpfeln und Kirschen und die süße Schwere von Großmutters Kompott. Ein fleißiger Erntehelfer war ich, immer ganz oben auf den Bäumen, bis ich fiel und mir das Knie aufschlug. Als meine Großmutter die Wunde versorgte, roch ich es das erste Mal: ihren Duft von frischer Minze, gepaart mit etwas sehr Beruhigendem. Erst jetzt wurde mir klar, dass es Lavendel und Rosmarin gewesen sein mussten, die mich damals trösteten. Wie lange hatte ich dieses Gefühl von Geborgenheit, diesen Duft, diese Szene schon vergessen. Tief in Gedanken saß ich noch lange auf der Bank und ließ meine Nase die weiteren Gedanken bestimmen. Es war doch nichts so spurlos wie der Geruch und doch so tief mit Erinnerungen verbunden.