Der Eisbär Manche Geschichten erzählen einem mehr, als es zunächst scheint. Und so erging es mir auch in diesem Ort, in dem mir die Geschichte des Eisbären begegnete. Sie war so prägnant, dass es mir stets leichtfallen wird, sie wiederzugeben: Es war einst ein strenger und harter Winter. Da verkündete ein Mann in Scheidegg, dass in der nahen, vollkommen vereisten Rohrachschlucht ein großes Tier mit zottigem weißen Fell sein Unwesen treibe. Gar wild und unberechenbar solle es sich aufführen, eine Gefahr für jedermann. Trotzdem fanden sich mutige Scheidegger, die in die vereiste Schlucht aufbrachen, um das Ungetüm zu erlegen. Und so geschah es dann tatsächlich: Die Männer töteten das Tier und brachten es ins Dorf. Sie waren sich sicher, sie hatten einen Eisbären erlegt. Als dann auch die Schüler des Ortes das Ungeheuer ansehen durften, entfuhr es einem kleinen Jungen ganz unbedarft: „Ich meine, das ist ein Hund.“ Und so war es auch gewesen. Ich hatte zunächst einfach über diese kleine Geschichte lächeln müssen. Aber dann war ich nachdenklich geworden. Die Rohrachschlucht als Schauplatz der Erzählung war schon etwas Besonderes, eben ein Produkt des Gletschers, der die Gegend der Wasserreiche so einzigartig geformt hatte. Bis zu 200 Meter Tiefe hatten die Zeit und die Urkraft des Wassers hier hinterlassen. Quellen, Wasserfälle, Nass- und Streuwiesen, beeindruckende Steinformationen – es erschien mir nur konsequent, dass in diesem Relikt der Eiszeit auch ein Eisbär sein Unwesen treiben konnte, zumal noch zu strenger Winterzeit. Darüber hinaus gehört er zu den bedrohten Tierarten, gilt als besonders schützenswert und sein eigentlicher Lebensraum als gefährdet. Ein noch lebendes Zeichen und Mahnmal also für den Naturschutz und den bewussten Umgang mit dem, was uns gegeben wurde. Der Eisbär, auch wenn es ihn in der Rohrachschlucht nie gegeben hatte, er passte so wunderbar in dieses Naturschutzgebiet, dass mir die Geschichte mehr erzählte, als nur die Mär von einem kleinen Jungen, der die scheinbar tapferen Männer bloßstellte.
Start- und Willkommensplatz Scheidegg
825m
Hafervoll Müsliriegel Banane Paranuss
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