Über den Wolken Erst jetzt merkte ich, dass sich ein tiefer Nebel über das Tal gelegt hatte, dessen oberstes Dorf ich gerade betrat. Die nahen Berge waren kaum auszumachen und doch zogen sie mich in ihren Bann. Dennoch zwang ich mich, zunächst eine Pause einzulegen, mir dieses wunderbare Dorf anzusehen, das Lebensgefühl der Einheimischen zu erspüren. Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass sie alle sehnsüchtig den Blick in den Himmel richteten, als könnten sie damit die Nebeldecke vertreiben. „Es isch obheiter“, hörte ich sie sagen und es klang wie ein Seufzen. Noch nie hatte ich diesen Satz gehört. Meine Neugier siegte und so sprach ich bald darauf einen von ihnen an. Ich solle schnell hinauf auf einen der Berge fahren, sagte er mir mit einem Lächeln, dann würde ich erleben, was „obheiter“ sei. Merkwürdig, dachte ich bei mir, verstört von der Vorstellung, bei dem Nebel in den Berg zu gehen. Aber gut, er hatte ja auch von Fahren gesprochen und der Bann der Berge hatte mich ohnehin noch stärker gepackt. Also besorgte ich mir ein Ticket für die nächste Bergbahn. Die Kabine, in der ich saß, verschwand bald darauf in der Tiefe der Nebelwand und ich sah nichts mehr außer diesem gräulich-weißen Schleier. Plötzlich traute ich meinen Augen nicht mehr: Die Kabine durchbrach den Nebel und setzte sich immer mehr von ihm ab. Was ich sah, war das unendliche Blau des Himmels und die Gipfel der Berge, die alle da waren, die ich nur bisher nicht sehen konnte. Ich hielt es kaum noch aus, die Bergstation zu erreichen und aus der Bahn auszusteigen. Endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen und stand einfach nur da. Vor mir lag ein Meer, wie ich es noch nie gesehen hatte. Es bestand aus federleicht wirkenden, weißen Nebelwolken, aus denen sich die Gipfel zahlreicher Berge emporhoben. Nichts wirkte mehr grau, verschleiert und schwer, alles war leicht, der Horizont unendlich weit. Ich atmete tief durch und saugte die Kraft ein, die von diesem Moment ausging. Ich wusste, ich würde sie und dieses Gefühl der Freiheit brauchen, wenn mich wieder einmal Sorgen und Nöte bedrücken sollten.
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