Der Kesselgeist Es war im Jahre 1882. Der Oberdacheben-Bauernsohn Jakob Laubbichler war damals noch ein kleiner Schulbub und musste eine gute Wegstunde und oft länger von der Schule nach Hause stapfen, wenn wieder Schnee auf der Straße lag. An diesem Tag lag schon fast knietief Schnee, und das kleine Büblein geriet im Kesselgraben in die Dunkelheit. Als er zur Kesselbrücke kam, sah das Büblein gegenüber am eisigen, steilen Geschröff eine schwarze Kuh stehen. Verwundert betrachtete der Bub das Tier und ihre Keckheit und zog wieder gedankenlos seines Weges. Beim Abendessen erzählte der "Jaggl", was er auf dem Schulweg gesehen hatte. Gruselnd hörte das Gesinde zu. Jeder wusste, dass es mit dieser Kuh Geisterhaftes auf sich hatte. Am nächsten Tag suchte Jaggls Vater nach der Spur, aber es war keine vorhanden. Der alte Oberdachebenbauer, der Vater vom Jaggl, erzählte, als er noch ein Bursche von 16 Jahren war, dass er an einem Sonntag, als er vom Gottesdienst nach Hause ging, auf der Kesselbrücke einen Kronenwurm sah. Er wollte den Wurm erschlagen, um die Krone zu erbeuten, aber es gelang ihm nicht, der Wurm war verschwunden. Eine uralte Sage erzählt, wer vom Kronenwurm die Krone erbeutet, der findet auch den Kessel mit dem goldenen Schatz, der im Kesselgraben vergraben sein solle. Später, so um das Jahr 1890, sah man in der nahen Umgebung des Kesselgrabens und im Dachebenmoos von Zeit zu Zeit kleine und haushohe Feuerflammen auflodern, in den Kesselgraben hinabwandern und wieder verschwinden. Meine Mutter, die Oberdacheben-Ziehtochter war, war sogar Zeugin eines solchen Geschehens: Es war Winterszeit. Das Mädchen musste früh aus dem Bett, um den Dienstboten bei der Arbeit zu helfen. Auf einmal warf es in die Küche einen hellen Schein. Neugierig sprang sie zum Fenster, und da sah sie oberhalb des Kesselgrabens eine baumhohe Feuerflamme, die langsam hinunterwanderte zum Kesselgraben und dort wieder verschwand. In der Adventzeit sahen die Leute, als sie mit dem Fraubild vom Niggenhäusl zum Hirschegg hinaufstiegen, beim so genannten "Schloapfstadl" ein helles, großes Feuer brennen. Gleich waren ein paar Männer bereit, Nachschau zu halten. Als sie zum Stadl kamen, war keine Spur von einem Feuer vorhanden. Im Laufe der Zeit ließen diese Lichterscheinungen nach, und heute hört man ganz selten davon erzählen, was früher ein geisterhaftes Erlebnis der Dientner war.