Der Schafübertrieb vom Südtiroler Schnalstal zur Ötztaler Niedertalalm ist nichts für Bergneulinge. Der strapaziöse Marsch führt jedes Frühjahr ca. 1.500 Schafe und an die 200 Ziegen von Südtiroler Bauern zwei Tage lang über steile, bis zu 3.000 Meter hohe Jöcher. Die neugeborenen Lämmlein werden oft von den Hirten getragen, die anderen Schafe laufen hinter den Hirten her – viele lammfromm, manche schafsköpfig-widerspenstig. Am ersten Tag geht es sieben Stunden lang bis zur Martin Busch Hütte im Ötztal, am nächsten Tag weiter zur Niedertalalm, eine Woche später werden von Kurzras aus nochmals ca. 2.000 Schafe über das Hochjoch (2.850 Meter) getrieben. Der Aufbruch findet in aller Früh noch im Dunkeln statt, weil bei fortgeschrittener Tageszeit die Tiere auf dem weichen Schnee der Lawinenkegel, die man überschreiten muss, einbrechen würden. Es braucht also erfahrene Hirten, die diesen Übertrieb begleiten. Der schwierigste Streckenabschnitt ist der steile Anstieg zur Similaunhütte unweit der Ötzi-Fundstelle, vor allem, wenn er bei Regen und Schneefall schlammig wird. Alte Tradition der „Transhumanz“ Für die Niedertalalm im Ötztal wurde bereits im Jahr 1415 ein Weiderechtsvertrag zwischen den Bauern von Vent und Schnals abgeschlossen. Obwohl nach den Ersten Weltkrieg Südtirol und damit das Schnalstal zu Italien kamen, blieben die Alprechte erhalten. Die Übertriebe, auch „Transhumanz“ genannt, gehören zur Tradition, werden mit Stolz durchgeführt und sorgen für einen größeren Zusammenhalt unter den Bauern. Bedeutende Arbeit leisten auch die Schafe für die Kulturlandschaft. Die durch den Schaftritt bedingte Verdichtung des Bodens vermindert die Erosion, das Wachstum unerwünschter Kräuter wie Knöterich, Bärenklaue oder Springkraut wird eingedämmt. In Tirol werden jährlich auf ca. 400 von über 2.000 bewirtschafteten Almen ca. 70.000 Schafe aufgetrieben. Die größten Schafalmen gehören zur Gemeinde Sölden: die Niedertalalm (ca. 2.700 Schafe) und Rofenbergalm (ca 1.700 Schafe). Die Haupt-Schafrasse ist das Tiroler Bergschaf, gefolgt vom Braunen Bergschaf und dem Steinschaf. In der Vermarktung rangiert das Osttiroler Berglamm ganz vorne. Lage: Die 2.176 Hektar große Niedertalalm erstreckt sich über mehrere Vegetations-Höhenstufen und beginnt gleich nach der Brücke von Vent im Ötztal. Das Kernstück mit den Sennhütten liegt auf ca. 2.200 Meter Höhe im Hochgebirge. Einkehrmöglichkeit und Unterkünfte für Wanderer bietet die Martin-Busch-Hütte auf 2.501 Meter. Der höchste Punkt des Schafübertriebs ist der Übergang am Niederjoch bei der Similaunhütte auf 3.019 Meter.
Besonderheit: In diesem Gebiet hat sich eine mehr als 6.000 Jahre alte, halbnomadische Hirtenkultur erhalten, wie sie sonst kaum noch in den Alpen zu finden ist. Vom Südtiroler Schnalstal werden die Schafe über bis zu 3.200 Meter hohe, teils vergletscherte Jöcher getrieben (Transhumanz).
Verpflegung: Die Sennhütte der Niedertalalm ist nur für die Hirten reserviert, die nächst gelegenen Einkehrmöglichkeiten sind die Martin Busch Hütte bzw. die Gasthäuser von Vent.