Popis

Ein extremer Lebensraum Gedankenverloren betrachtete ich die weißen Fäden des Wollgrases. Wie sie sich ineinander verweben konnten und doch jeder für sich stark war. Wie filigran und weich sie wirkten. Als würde jede noch so zarte Berührung sie zerstören können. Dabei war das Gewächs vor allem eines: ein Überlebenskünstler, der sich intelligent den widrigsten Bedingungen anpasste. Widrig war das eine Wort, das mir einfiel, nachdem ich das Moor kennengelernt hatte. Extrem das andere, das mir viel mehr auszusagen schien über das Vermächtnis der Eiszeit. Schon allein bei der Vorstellung, wie das unterschiedliche Moorvorkommen rund um diesen Ort entstanden war, stieß ich auf ein Extrem: die Kraft des Eises, das die Landschaft zu dem gemacht hatte, was ich heute sah. Das Heute aber, es war so weit entfernt von dem Damals des Eises. Die Entfernung, sie war archiviert in den Schichten des Moores. Sie erzählten Geschichten von Tausenden von Jahren, wie die Mooreiche, deren Vielzahl an Ringen ich nicht mehr zählen konnte. Extrem langsam war das entstanden, was heute die Landschaft prägte. Dabei waren die Schichten und Geschichten nicht überall dieselben. Das Moor veränderte sein Gesicht, je nach Wasservorkommen, Lage und Einfluss des Menschen, den er ausgeübt hatte. Zu erkennen war das Gesicht auch an den unterschiedlichen Tieren und Pflanzen, die das Moor bewohnten. Eines war ihnen allen aber gemeinsam: Sie waren extreme Überlebenskünstler. Intelligent wirtschafteten sie mit den wenigen Nährstoffen und dem wenigen Sauerstoff und schafften es dabei noch, direkte Konkurrenten auszustechen. Ich betrachtete wieder die feinen Fäden des Wollgrases, die so gar nicht nach einem Extrem aussahen und doch ebenso trickreich arbeiteten, wie die anderen tierischen und pflanzlichen Vertreter des Moores. Ich wünschte mir, ich könnte etwas von ihrem Einfallsreichtum, ihrem Durchhaltevermögen und ihrer Kraft mit in meinen Alltag nehmen, um auch die Extreme zu meistern, die mir begegneten.